Die Wiederkehr des unbekannten Täters

Die Wiederkehr des unbekannten Täters

Als Österreich „befreit“ worden ist, sind die ursprünglichen Besatzer durch neue ersetzt worden. Das war für die Bevölkerung, die bereits das Leid des Krieges ausgestanden wähnte, nicht von Vorteil. In der sowjetisch besetzten Zone herrschten Gesetzlosigkeit und Kriminalität. Die Übergriffe auf die Bürger und vor allem die Bürgerinnen (viele Männer waren entweder tot oder noch in Gefangenschaft) nahmen ein unglaubliches Ausmaß an. Einbrüche, Diebstähle, Raubüberfälle und Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung, die Polizei durfte oder konnte nicht eingreifen, sie hat sich auch einfach nicht getraut, außerdem war sie zuerst nicht bewaffnet. Und wurde einmal ein Täter gefaßt, passierte ihm in der Regel nichts.

Über diese Untaten wurde nicht berichtet. Es war verboten. Eine Ausnahme gab es aber: die „Arbeiter-Zeitung“, ein sozialistisches Blatt, das schon im August 1945 wieder erscheinen durfte. Und die bei der „Arbeiter-Zeitung“ trauten sich was. Sie haben über diese Übergriffe berichtet. Allerdings mit der Einschränkung, daß man nicht sagen durfte, daß die Täter sowjetische Soldaten gewesen sind. Man hat sie daher als „unbekannte Täter“ bezeichnet. Die Österreicher haben aber alle gewußt, wer gemeint war, wenn wieder einmal von den unbekannten Tätern berichtet worden ist.

Wem das bis jetzt bekannt vorkommt, der hat recht. Die unbekannten Täter gibt es wieder. Wenn man heute hört oder liest, der Täter sei ein „Mann“ und man bestenfalls erfährt, daß es sich um einen 17jährigen handelt und sonst nichts, so weiß der geschulte Österreicher sofort, wer hier wieder am Werk gewesen ist. Auch „traumatisiert“ oder „psychisch gestört“ weist uns zuverlässig den Weg zur Wahrheit und den Weg zum Täter, der nur uns unbekannt bleiben soll, aber jedem, der zwischen den Zeilen zu lesen versteht, gleich bekannt ist.

Wir lernen also wieder zwischen den Zeilen zu lesen. In einer Zeit der Lügen ist das lebensnotwendig, sogar überlebensnotwendig.

P.S.: In dieser Nachkriegszeit war ich ein Kind. Ich habe aber alles mitbekommen, besser als mir lieb gewesen ist. Daher bestürzen mich diese Parallelen. Heute sind wir, wie mir scheint, wieder besetzt. Nur – Staatsvertrag werden wir diesmal keinen bekommen. Wahrscheinlich müssen wir uns selber helfen.

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